… auf ein Date mit der Kastanie
Herbst ist, wenn …
… der Wind die kunterbunten Blätter von den Bäumen tanzen lässt.
… die Natur ihr schönstes Farbenspiel entfaltet und die Vögel gen Süden ziehen.
… die Sonne leuchtet und alles in ein warmes, goldenes Licht taucht.
… diese eine ganz besondere Magie in der Luft liegt.
Ja, dann ist es Herbst. Doch halt … etwas habe ich vergessen.
Herbst ist auch, wenn sich die geheimnisvolle fünfte Jahreszeit bemerkbar macht.
Sie wissen schon, die, die es nur bei uns in Südtirol gibt. Die, die vielleicht gar nicht mehr so geheimnisvoll ist, schließlich haben Sie bestimmt schon mindestens einmal davon gehört – die Törggelezeit! Diese gehört zur Herbstzeit dazu wie das Amen in der Kirche und der blaue Schurz zum Bauern … also quasi nicht mehr wegzudenken.
Zu Tisch mit der Edelkastanie
Falls Ihnen der Begriff „Törggelen“ so rein gar nichts sagen sollte, dann gibt’s hier eine kleine Auffrischung: Von Anfang Oktober bis Ende November, also am besten immer dann, wenn sich die Blätter färben und – ganz wichtig – die Weintrauben bereits geerntet wurden, treffen sich Jung und Alt zum Törggelen. In Kurzform: dem geselligen Beisammensitzen bei Speis und Trank. Letztere sind dabei besonders wichtig, denn es werden typische und klassische Schmankerln der Südtiroler Bauernküche genossen. Mit von der Partie sind Gerste- & Kürbissuppen, verschiedenste Knödel & Schlutzkrapfen, meist als Bis oder Tris serviert sowie für viele das Highlight des Menüs – die Schlachtplatte. Diese beinhaltet verschiedenste und hochwertige Fleisch- und Wurstsorten, wie etwa Hauswurst und Surfleisch.
Als Nachspeise wird der eigentliche Star des Törggeleabends gereicht: die Kastanie. Ob klassisch, über dem Feuer gebraten oder süß, als Krapfenfüllung oder Eissorte, es gibt sie in allen möglichen und manchmal fast schon unmöglichen Variationen. Damit auch der Durst gestillt wird, schenkt man Ihnen u. a. den „neuen Wein“ ein. Dabei unterscheidet man den „Sußer“, ein Traubenmost mit 1 % Alkohol und der „Nuie“ (Neuer), der einen Alkoholgehalt von 7 % aufweist und als roter und weißer Wein angeboten wird.
Traditionsgemäß ist das Törggelen eigentlich der Höhepunkt einer Herbstwanderung* in der kunterbunten Landschaft und findet in umliegenden Buschen- und Hofschänken und eben auf der Lisetta-Terrasse statt.
*Für Lisetta-Gäste, die sich bereits im kuschligen Herbstmodus und somit nicht mehr im Aktivmodus befinden: Der Gang vom Zimmer bis zur Terrasse gilt als Wanderung. Ausnahmsweise.
Egal wie alt man ist:
Eine frisch vom Baum
gefallene, braun glänzende
Kastanie, die man findet,
ist ein kleiner Schatz.
Törggelen im Lisetta
Wenn nun also die goldenen Sonnenstrahlen auf die Lisetta-Sonnenterrasse treffen und die Zeiger der Uhr auf Vier stehen, ist es soweit: Einmal wöchentlich, von Oktober bis November, brutzeln die Kastanien über dem offenen Feuer und der neue Wein, der Sußer, wird ausgeschenkt. Beim geselligen und gemütlichen Zusammensitzen ergeben sich schon bald richtig gute Gespräche. Wenn Sie Glück haben und Seniorchef Flavio nach dem dritten Sußer so richtig in Schwung kommt, packt er seine Ziehorgel aus und zaubert uns allen mit seiner musikalischen Einlage ein Lächeln ins Gesicht.
Wie das Törggelen nun aber entstanden ist, das weiß keiner so genau.
So mancher meint, es habe sich eben ergeben, als Freunde und Bekannte, die beim Einfahren der Ernte geholfen hatten, im Gegenzug eine Mahlzeit erhielten und natürlich auch den neuen Wein kosten durften. Was hingegen aber klar ist, ist, dass „Törggelen“ bzw. viel mehr „Torkl“ oder „Torggl“ aus dem lateinischen „torculum“ abgeleitet wird und den Name der Traubenpresse meint, und nicht etwa das nach Hause torkeln nach übermäßigem Weingenuss. Aber wer weiß, ganz sicher sagen lässt sich das natürlich nicht. 😉
K wie Kastanie:
Aber bitte mit Sahne!
Kennen Sie Kastanienherzen?
In Kurzform: Kastanien werden gekocht, von ihrer Schale befreit und durch ein Sieb gedrückt. Anschließend werden sie mit Zucker und Sahne vermengt und zu Herzen geformt, welche mit geschmolzener Zartbitterkuvertüre überzogen werden. Abkühlen und fest werden lassen und mit Sahne garnieren. Scheinbar einfach, wenn doch die Zutaten an einer Hand abzählbar sind. Doch die Kreation hat ihrerzeit für ordentlich Furore gesorgt …
Wir schreiben das Jahr 1948, es ist September und der Herbst hat es sich schon in Südtirol gemütlich gemacht. In der Landeshauptstadt Bozen, unter den Lauben, betritt ein gut betuchtes Paar eine Konditorei und äußert dort einen ganz besonderen Wunsch: Ein Dessert, etwas noch nie Dagewesenes solle man kreieren, sodass es auf der geplanten Verlobungsfeier für allerlei „Ahh’s!“ und „Ohh’s!“ sorgen würde. Es ist ein großer Auftrag, den der damals 14-jährige Konditorlehrling Ivo Moschen erhält. Und zugleich auch seine Chance sich unter Beweis zu stellen.
So einige Zutaten liegen schon auf seiner Arbeitsplatte bereit, nur der Geistesblitz, die große Vision, die fehlt noch. Den ganzen Tag, bis spät in die Nacht tüftelt er an einer ganz neuen Kreation, die nicht nur der Star der Verlobungsfeier werden sollte: Das Kastanienherz war geboren. Das Paar war begeistert und auch ringsum, bis über die Stadtgrenzen hinaus, wurde der Lehrling für seine Kreation gefeiert.
Viele Jahre später eröffnet Ivo Moschen seine eigene erfolgreiche Konditorei, in der er fortan seine Kastanienherzen, nach Original-Rezept und mit viel Liebe und Passion herstellt. Auch wenn er im Jahre 2011 im Alter von 84 Jahren verstirbt, lebt sein Vermächtnis doch für immer fort.
In Form von süßen Kastanienherzen …