Chefkoch Gianfranco, der Bauernmarkt und ich
Ich bin wohl nicht die einzige, der es so ergeht, aber der Lockdown verunsichert mich nicht nur, er langweilt mich auch. Der Aktionsradius ist klein, Abwechslung kaum da und die Gefahr groß, in Untätigkeit zu verfallen. Deshalb ist jeder noch so kleine Ausbruch willkommen – auch wenn es nur ein Ausflug auf den Bauernmarkt ist.
Der für uns nächstgelegene ist jener in Obermais, einem Stadtteil von Meran. Auch wenn (oder vielleicht weil?) er nur aus wenigen Ständen besteht, habe ich ihn in den letzten Jahren liebgewonnen. Man kann hier in aller Ruhe das Angebot unter die Lupe nehmen und sich mit den Bauern unterhalten.
Zudem trifft man zwischen den Ständen immer wieder Bekannte. So bin ich heute – durch puren Zufall – einer der wichtigsten Figuren in unserem Hotel über den Weg gelaufen: unserem Chefkoch Gianfranco.
Eine Säule unseres Hotels
Seit vier Saisonen arbeitet Gianfranco für uns. Das mag auf den ersten Blick nach nicht viel klingen, wer aber die extrem dynamische Welt der Küche kennt, weiß: Köche wechseln oft, schnell und gern. Das gilt auch für Gianfranco, der aus Salerno in Kampanien stammt, und schon in vielen der bekanntesten Urlaubsdestinationen Italiens gearbeitet hat: in Portofino, in Rom, an der Amalfitanischen Küste oder in St. Vigil im Gadertal.
Diesen reichen Erfahrungsschatz bringt Gianfranco seit vier Jahren in die Küche des Hotels Lisetta ein. Und ich erinnere mich noch an das Einstellungsgespräch. Mehr als eine Stunde lang standen wir zusammen in der Küche und Gianfranco hat erzählt und erzählt. Wir haben gleich gespürt, was für eine Leidenschaft, was für eine Lust aufs Kochen er mitbringt.
Heute wissen wir: Gianfranco war ein Glücksgriff. Er ist Profi durch und durch, führt die Küche mit Sorgfalt und Umsicht und kümmert sich um jedes Detail. Das sind Qualitäten, die in der Küche für den kleinen aber feinen Unterschied sorgen.
Gianfrancos Handschrift ist heute unverkennbar. Da ist zum einen seine Liebe für die traditionelle Südtiroler Küche, die er in den mehr als 18 Jahren entwickelt hat, in denen er in unserem Land lebt. Da ist aber auch seine Begeisterung für die mediterrane Küche und für Fischgerichte, die er wohl in die Wiege gelegt bekommen hat. Und schließlich hat Gianfranco auch ein besonderes Gespür für internationale Gerichte, die die dritte Säule unserer Küche bilden.
Ein optimistischer Blick in die Zukunft
Eigentlich müsste es mich also nicht wundern, dass ich Gianfranco auf dem Bauernmarkt treffe. Ich beobachte ihn eine Weile, wie er konzentriert und sorgfältig Gemüse aussucht und dabei auf jedes noch so kleine Detail achtet. Schon darin spiegelt sich seine Küchenphilosophie wider: Nur aus besten Zutaten entstehen beste Gerichte, sagt Gianfranco immer.
Neben seiner Professionalität sind es sein Optimismus, seine Energie und seine stets gute Laune, die ich an Gianfranco bewundere. Im Rückblick ist es deshalb durchaus verständlich, dass er bei seinem ersten Rundgang durch unser Hotel von der offenen Küche fasziniert war, die es ihm erlaubt, mit viel Licht zu kochen und sich dabei stetig mit dem Küchen- und Servicepersonal auszutauschen.
Kommunikation, das habe ich gelernt, ist im stressigen, hektischen Küchenalltag alles und Gianfranco ist auch hier ein Meister. Er motiviert, er zeigt den jungen Kolleginnen und Kollegen, wie’s geht, er gibt seine Erfahrung weiter und hat ein Auge auf alles und jeden.
Seine Offenheit und sein Optimismus kommen mir auch jetzt zugute. Bei unserem Treffen auf dem Obermaiser Bauernmarkt kommen wir selbstverständlich auch auf die derzeit so schwierige Situation zu sprechen und Gianfranco macht mir Mut. Beide hoffen wir, dass wir bald schon in die neue Saison starten können. Schließlich fehlen uns beiden unsere Arbeit und die Gäste. Und beide hocken wir gespannt in den Startlöchern, auf dass es endlich wieder losgeht.